Blicke ich auf meine schon etwas entfernte Jugend, waren Surfer, Tanzlehrer und Einhand Maschinengewehrträger, die tragenden Säulen meines pubertierenden Ichs. Noch weiter zurück prägten halbnackte schwertschwingende Muskelprotze, blaue in Vielmännerei lebende Winzlinge und Waisenkinder in Strapse mein kindliches Selbst. Das klingt aus heutiger Sicht zwar sehr merkwürdig und unpädagogisch, war aber so. Um es mal so zu sagen, es gab eigentlich nichts was meine Leidenschaft für die Aquaristik hätte erklären können. Bevor jetzt jemand mit Ariel die Meerjungfrau oder Flipper kommt, habe ich nicht gesehen und wollte ich auch nicht sehen. War halt nicht so mein Ding.
Wie sah es denn als junger Erwachsener so aus? Na ja, ich sag mal so! Aquaristik als solches war jetzt kein Schenkelöffner *hüstel* und sicherlich nicht der Garant für ein erfolgreiches Date. Dennoch fing ich schon im jungen Alter mit der Aquaristik an.
Schuld an dem ganzen Dilemma, war in der Grundschule mein bester Freund und etwas jüngerer Nachbar. Dieser stand eines Tages prahlhansig vor mir und meinte ich müsse mal rüber kommen und sein neues 240 Liter Prollbecken anschauen. Ein Kerl, gerade einmal 20 Zentimeter größer als sein Becken, stand da wie Graf Koks von der Halde und wischte mit dem Algenmagnet die riesige Front seines Beckens. Klar das ich mir das mit meinen überlegenden elf Jahren nicht gefallen lassen konnte, also ab zu Mami und Papi und die gute alte Weltuntergangsgeschichte bei nicht bekommen abspielen.
Ich hatte damit tatsächlich Erfolg, musste mich allerdings mit einem 54 Liter Komplett-Set zufriedengeben. Ungeachtet dessen habe ich mein Becken geliebt und meinen Nachbarn natürlich auch (platonisch!!!!). Wir, also mein mittlerweile Ex Nachbar und immer noch liebster Aquarienkollege, pflegen immer noch engen Kontakt und Aquarien. Nur das er jetzt ein Kopf größer ist als ich und sein Becken, ach was sag ich, sein Bassin natürlich auch größer ist. Knapp Zweitausend Liter, da können meine 350 Liter genauso mithalten wie damals. Die Welt ist und bleibt einfach ungerecht.
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja genau, bis zum Eintritt ins Berufsleben hielt dieses 54 Liter Becken die Stellung in meinem Zimmer. Selbst in den Entwicklungsjahren der Lehre hegte und pflegte ich es. Ich dachte noch über ein größeres Becken nach, dann war es aber auch schon weg. Das war halt einfach so, wenn man seine erste feste Freundin und zukünftige Ehefrau kennenlernt. Das 54 Liter Becken übernahm glücklicherweise ein Verwandter, der voller Demut die Obhut meines auf mittlerweile drei Besatzungsmitglieder geschrumpftes Aquarium übernahm.
Damit begann die Zeit der langen Aqariendürre. Denn nach der Lehre kam der Wehrdienst und nach dem Wehrdienst der Bezug der ersten eigene Wohnung. Danach kam der Klassiker, also Hochzeit, zwei Kinder und der Bezug einer größeren Wohnung. Letzteres und vor allem Vorletzteres, war auch Schuld daran das ich an meine längst vergangene Aquarienzeit denken musste und beschloss das zu einer perfekten Entwicklung der Kindheit ein Becken einfach unabdingbar ist.
Es gibt Dinge im Leben die ändern sich einfach nie! Eines davon ist die mittlerweile auf die Perfektion gebrachte Inszenierung meiner Weltuntergangsgeschichte. Nach meiner knapp 30 Minuten Darbietung, ging es noch am selben Tag in den ortsnahen Baumarkt. Der Rest ist Geschichte und wurde hier und da schon an anderer Stelle oft genug durchgekaut.
Wer sich jetzt fragen sollte, „Was will der Doofkopf und warum faselt er so viel Unsinn“ , fragt sich das mit Recht. Meine nachfolgende Erklärung könnte aber etwas Licht ins Dunkle des Beitrags bringen.
Es geschah eines Nachmittags vor nicht allzu langer Zeit, da übermannte mich eine Gefühlsregung, aquaristischer Natur versteht sich, die mich doch etwas nachdenklich stimmte. Dazu sollte ich erklären das ich in letzter Zeit irgendwie Aquarienmüde wurde. Nach knapp 30 Jahren, mal mehr mal weniger enthusiastischer Zierfischpflege und knapp 13 Jahren bloggen, habe ich mich echt gefragt ob ich das in dieser Form noch so exzessive weitermachen möchte.
Versteht mich nicht falsch! Das Hobby Aquaristik ist schon echt geil, aber unser neu erworbener absolut obsoleter Garten verlangt seit einigen Jahren alles von uns ab. Neben neuerlernten Komposition an Schimpfwörtern und nützliche Grundkenntnisse in der Wundbehandlung, hat mir aber der Gartenbau eines ganz besonders gegeben. Absolute Befriedigung.
Gartenbau ist momentan mit das geilste was ich mir vorstellen kann, so wie die Aquaristik eben auch. Im Endeffekt führen die beiden in letzter Zeit ein Battle um meine Gunst, aber „Garten“ ist einfach neuer und daher klar im Vorteil. Ich kann mir aktuell einfach kein Leben ohne meinen Garten vorstellen. Wohlgemerkt aktuell.
Wie mein alter Herr immer zu sagen pflegte: „Man kann nur einen Herren dienen“ und bezogen auf meine Hobbys, heisst das für die Aquaristik leider hinten anstellen. Aber nur ganz knapp, mit nur einem Hauch an Abstand dahinter.
Kommen wir zu meiner weiter oben erwähnten emotionale Begegnung und der Grund wieso ich eigentlich glücklich darüber bin diese gehabt zu haben. Also, das ganze überkam mich irgendwie beim letzten Teilwasserwechsel. Nachdem ich damit eigentlich schon fertig war und einfach nur so psychotisch in den offenen Innenfilter starrte, musste ich auf einmal an meine aquaristische Vergangenheit denken und an die vielen genugtuenden Gefühle die mir das Hobby gegeben hat. Gefühle die einem überkommen wenn man ein frisch installiertes und funktionierendes Becken beaufsichtigt oder eine neuen Besatz eingewöhnt. Vor allem bei ersteren fühlte ich mich immer so richtig wie in der König Plisener Werbung.
Das Gefühl selber war zwar nur sehr kurz und eher retrospektiv, veranlasste mich aber dazu in den nächsten Momenten die verrücktesten Ideen zu denken. Ideen über ein neues und vor allem größeres Becken. Denn wie wir alle wissen ist das Volumen eines Beckens durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Volumen. Grüße an meinen Ex-Nachbarn.
Schlagartig hatte die Aquaristik wieder mit dem Garten gleichgezogen und ich dachte mir nur noch „echt jetzt?“. Warum gerade jetzt, wo ich mein Hobby weitestgehend zurückschrauben wollte um mehr Zeit zu haben? Warum nur ist die Aquaristik so fies und warum lässt es einen armen und von Zeitnöten geschundenen Mann nicht einfach in Ruhe?
Die Antwort ist ganz einfach! Das Hobby Aquarium bietet einfach für jeden Typus Mensch etwas. Wobei wir wieder bei dem Punkt „wieso sind wir überhaupt Aquariener“ angekommen sind. Denn trotz der Gemeinsamkeit des Hobbys an sich, könnten die Interessen der Auszuübenden nicht unterschiedlicher sein. Es gibt die Ichthyologen, die mit aller Vehemenz und technischem Know-how an dem Erfolg der Züchtung arbeiten. Die Biologen, welche die beste auf Gottes Erdboden machbare Replikation der Natur erschaffen wollen. Die Künstler, die mit ihrem Aquascapes teilweise das visuell Vorstellbare noch übertreffen können. Der Beobachter, der jede Bewegung eines Zierfisches noch vor seinem tun antizipieren kann oder der Tüftler, der selbst wenn es eigentlich schon funktioniert noch immer was zum verbessern findet.
Das Tüfteln und das allgemeine Herumprobieren am und im Becken, sind ganz klar meine Steckenpferde. Aber wehe wenn etwas beim x-ten mal immer noch nicht so will wie, dann kocht in mir der kleine Leonidas. Glücklicherweise gibt es in meiner Nähe keinen spartanischen Brunnen. Nein, Spaß beiseite. Für mich ist die banale und unscheinbare Technik und Mechanik hinter der Aquaristik, also das was für viele Aquarianer eher ein notwendiges Übel darstellt, der größte Spaß am Ganzen.
Was habe ich nicht alles probiert. Ok, der Bau eines eigenen Aquariums ging gründlich in die Hose! Aber selbst das einkleben einer Rückwand, das installieren einer CO2 Anlage, das Einfahren eines Meerwasserbeckens, ja selbst das vereinfachen eines schnöden Wasserwechsels, sorgt bei mir immer noch für Gänsehaut wenn ich darüber nachdenke. Wenn ich es genau nehme, ist schon allein die Vorstellung endlich mal wieder ein neues Beckens einzurichten, total erregend. Also jetzt nicht Taschentuch erregend, aber Gemütsregend. Ich bin echt kurz davor mein Sparbuch zu plündern. Glücklicherweise hat meine Frau da noch Mitspracherecht ?.
Jeder der tatsächlich bis hierher durchgehalten hat, bekommt jetzt endlich die Antwort auf die Frage die eigentlich keiner gestellt hat: Wieso schreibe ich diesen Artikel?
Es ist irgendwie eine Art Entschuldigung. Eine Entschuldigung dafür das ich in letzter Zeit etwas weniger geschrieben habe und in Zukunft sicherlich nicht turnusmäßig jeden Tag schreiben werde. Also, nichts für ungut und seht es mir nach. Nichts desto weniger bleib ich dem Hobby und natürlich diesem Blog treu, keine Frage. Es werden mit Sicherheit wieder Zeiten kommen in denen ich meine ganze Freizeit und Geld reinbuttere und euch wöchentlich mit Beiträgen quäle. Bis es wieder soweit ist könnt ihr ja, wenn ihr Lust und Laune habt, meine terrestrischen Projekte auf „Blogbucheintrag.de“ verfolgen. Ich würde mich sehr darüber freuen.
In diesem Sinne, ein hoch auf unsere Aquaristik.